
Gesetzentwurf des BMJV: Neue Regelungen für Influencer-Werbung geplant
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat am 04.11.2020 den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht veröffentlicht. Das erklärte Ziel lautet, Klarheit zur kennzeichnungspflichtigen und nicht kennzeichnungspflichtigen Influencer-Werbung zu schaffen. Weshalb der Referentenentwurf aber noch „viel Luft nach oben“ hat, erkläre ich in diesem Beitrag.
Der Entwurf des BMJV soll den Schutz der Verbraucher vor unlauteren geschäftlichen Handlungen insbesondere im Zusammenhang mit digitalen Geschäftsmodellen verbessern und eine wirksamere Durchsetzung des Verbraucherrechts ermöglichen. Hierfür enthält der Entwurf unter anderem Regelungen zur Verbesserung der Verbraucherinformation bei Rankings und Verbraucherbewertungen. Vergleichs- und andere Vermittlungsplattformen müssen demnach für die Suche nach Waren oder Dienstleistungen verschiedener Anbieter die wesentlichen Parameter ihres Rankings und die Gewichtung dieser Parameter offenlegen. Ebenso erfreulich sind die geplanten erweiterten Anzeige- und Informationspflichten im Zusammenhang mit sog. „Kaffeefahrten“.
Doch auch auf Influencer kommen spannende Zeiten zu: Denn im Referentenentwurf vom 4. November 2020 unternimmt das Bundesjustizministerium den längst überfälligen Versuch, einen einheitlichen rechtlichen Rahmen für das Influencer-Marketing festzulegen.
Weshalb bedarf es einer Gesetzesänderung?
Bisweilen wird die Frage aufgeworfen, ob eine Gesetzesänderung überhaupt erforderlich it. Denn mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG werden sog. „geschäftliche Handlungen“ schon jetzt definiert, während § 5a Abs. 6 UWG bereits nach geltendem Recht die Pflicht vorsieht, den „kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung“ kenntlich zu machen.
Die Schuldigen dürften letzten Endes die Gerichte sein, denn diese haben es – trotz der vielen Chancen – versäumt, sich auf eine im Kern einheitliche Linie zu einigen. In der Rechtsprechung herrscht ein regelrechter Flickenteppich an Meinungen. Und dies führt nun einmal zur Rechtsunsicherheit.
Die für Influencer relevante Frage dürfte also lauten: Wird mit den geplanten Änderungen alles besser, schlechter oder ändert sich im Ergebnis nichts?
Positiv ist meines Erachtens die Klarstellung, dass Produktempfehlungen aus eigener Motivation, die also nicht mit finanziellen Vorteilen verbunden sind, auch nicht als Werbung zu kennzeichnen sein sollen.
Negativ ist das wenig in Erscheinung tretende Problemlösungsbewusstsein des BMJV. Denn der Referentenentwurf führt selbst an – also ist es nicht nur meine Meinung -, dass die meisten Änderungen „nur der Klarstellung“ dienen. Übersetzt heißt das: „Jetzt schreiben wir es auch so, wie wir es immer schon gemeint haben!“
Influencer-Werbung: Welche Neuerungen sieht der Referentenentwurf vor?
Die geplanten Verbesserungen gestalten sich vielfältig:
- Geschäftliche Handlungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG-E sollen nach dem neuen Wortlaut auch „digitale Waren“ und „digitale Dienstleistungen“ umfassen. Das sagt das BMJV dazu: „Bereits nach bisherigem Recht war der Begriff so weit gefasst, dass digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen erfasst wurden, die Änderung dient daher lediglich der Klarstellung„. Somit handelt es sich um keine Neuerung im eigentlichen Sinne.
- § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG-E soll außerdem dahingehend ergänzt werden, dass bei der Handlung eines Influencers nicht nur ein „objektiver„, sondern auch ein „unmittelbarer“ Zusammenhang mit einer Absatzförderung vorliegen muss. Dazu schreibt das BMJV: „Zwar muss das Kriterium ‚objektiv‘ auch derzeit bei Handlungen gegenüber Verbrauchern so ausgelegt werden, dass es ‚unmittelbar‘ umfasst; aufgrund der Bedeutung dieser zentralen Begriffsbestimmung ist eine Klarstellung jedoch angebracht. So erscheint es möglich, dass bei bestimmten Formen der Förderung des eigenen Unternehmens kein unmittelbarer Zusammenhang zur Absatzförderung besteht, zum Beispiel, wenn ein Influencer Waren oder Dienstleistungen empfiehlt oder erwähnt und er hierfür kein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erhalten hat“. Doch der BGH hat schon mit Urteil vom 10. Januar 2013 (Az I ZR 190/11) entschieden, dass es bei Geschäftspraktiken gegenüber Verbrauchern auf einen „unmittelbaren Zusammenhang mit der Absatzförderung“ ankommt. Ergo: Auch hierbei handelt es sich um keine Neuerung im eigentlichen Sinne.
- § 5 a Abs. 4 UWG-E soll in dem neuen S. 2 um eine Regelung ergänzt werden, wonach bei einer „Handlung ausschließlich zugunsten eines fremden Unternehmens nur dann ein kommerzieller Zweck anzunehmen ist, wenn der Handelnde ein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmen erhält“. Was die Begründung zum Entwurf hier aber außer Acht lässt: Es wird schon jetzt mehrheitlich vertreten (z.B. von Seiten der Medienanstalten), dass eine Kennzeichnungspflicht entfällt, wenn Influencer Produkte/Unternehmen usw. empfehlen, ohne davon selbst unmittelbar finanziell zu profitieren.
Kennzeichnungspflicht bei „Entgelt oder ähnliche Leistung“
Das BMJV hilft jedoch beim Verständnis des „Entgelts oder einer ähnlichen Gegenleistung„, an die die Pflicht zur Kennzeichnung des Posts als „Werbung“ geknüpft sein soll:
„Der Begriff der „ähnlichen Gegenleistung“ umfasst auch Provisionen, Produkte, die von dem fremden Unternehmen zugesandt wurden und die der Handelnde nutzen oder behalten darf sowie Pressereisen, Stellung von Ausrüstung oder Kostenübernahmen. Die bloße Steigerung der eigenen Bekanntheit, zum Beispiel von Influencern, durch solche Handlungen kann hingegen nicht als Gegenleistung gewertet werden, weil das fremde Unternehmen die Bekanntheit der aus eigenem Antrieb Handelnden nicht beeinflussen kann.“
Bis hierhin kommt ihr mit, richtig? Ab hier wird’s aber abenteuerlich… 😉
Abgrenzungsschwierigkeiten sind vorprogrammiert
Das BMJV führt weiter aus:
„Die Gegenleistung muss nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang erfolgen und kann auch über Dritte gewährt werden. Die Hoffnung auf eine Gegenleistung alleine reicht jedoch nicht aus. Wenn Äußerungen weiterhin abrufbar sind, kann auch eine später hinzugetretene Gegenleistung berücksichtigt werden. Als Ausnahme vom Anwendungsbereich des § 5a Absatz 4 UWG muss die Erfüllung der Voraussetzung im Streitfall von dem Handelnden nachgewiesen werden. Der Nachweis könnte zum Beispiel durch eine Bestätigung des Unternehmens erbracht werden, dass keine Gegenleistung für die Äußerung erfolgt ist. Als Nachweis für eine fehlende Gegenleistung kommt auch eine eidesstattliche Versicherung des Handelnden in Betracht.“
Ein Beispiel, das die schwierige Handhabung dieses Tatbestandes für Influencer verdeutlicht:
Influencerin X-Secret empfiehlt im Sommer 2020 in einem Post das Produkt eines Sportswearherstellers, das sie selbst gekauft hat und für das sie keine Gegenleistung erhalten hat. Sie hat zu dem Zeitpunkt aber durchaus eine „Hoffnung“ auf eine Gegenleistung. Im Winter 2020 wird das Sportswear-Unternehmen auf X-Secret aufmerksam, bietet ihr eine Kooperation an und vergütet sie für künftige Empfehlungen, aber auch für die Empfehlung aus Sommer 2020.
Nach der oben zitierten Begründung zum Entwurf war die Empfehlung von X-Secret im Sommer 2020 wohl noch keine kennzeichnungspflichtige „Werbung“, könnte im Winter 2020 aber plötzlich kennzeichnungspflichtig geworden sein! Vor diesem Hintergrund erscheint die praktische Handhabung des neuen Tatbestands nach § 5a Absatz 4 UWG-E äußerst schwierig.
Wie geht es weiter?
Der Entwurf wurde am 4. November 2020 an Länder und Verbände verschickt und auf der Homepage des BMJV veröffentlicht. Die interessierten Kreise haben nun Gelegenheit, bis zum 2. Dezember 2020 Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmen werden ebenfalls auf der Internetseite des BMJV veröffentlicht werden.
Der Referentenentwurf vom 4. November 2020 ist auf der Webseite des BMJV einsehbar (Link).
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