dogan.legal // Vergaberecht, IT-Recht und Datenschutzrecht

EU-Verordnung gegen ungerechtfertigtes Geoblocking gilt ab 3. Dezember 2018

Europa rückt wieder ein Stückchen näher zusammen: Mit der Verordnung (EU) 2018/302 gegen ungerechtfertigtes Geoblocking im Binnenmarkt (GB-VO) hat die EU-Kommission die Sperrung von Online-Inhalten über Grenzen hinweg untersagt. Künftig kann also auch in anderen europäischen Shops problemlos eingekauft und auf sonstige Online-Inhalte zugegriffen werden; so lautet zumindest das erklärte Ziel.

Freier Zugang zu Online-Inhalten in der EU

Die neue GB-VO gilt zwar erst ab dem 03. Dezember 2018, im Amtsblatt der Europäischen Union wurde sie allerdings bereits am 02. März 2018 veröffentlicht. Damit gibt es nun auch kein zurück mehr. Für Verbraucher ist das eine gute Nachricht: Die Verordnung sieht nämlich vor, dass Online-Zugänge bzw. Online-Inhalte nicht aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung des Kunden gesperrt werden dürfen. Dieses sogenannte Geoblocking ist damit innerhalb der EU per se untersagt. Bislang unterliegt der elektronische Handel innerhalb der EU nicht zeitgemäßen Grenzen, weil die Anbieter für ihre Inhalte häufig eine Beschränkung auf das jeweilige Heimatland anwenden. Wer beispielsweise von Deutschland aus in einem französischen Shop bestellen möchte, wurde bislang unter Umständen vom Shopbetreiber zurückgewiesen. Die EU-Kommission sah darin eine Diskriminierung von EU-Bürgern und hebt diese mit der GB-VO auf.

Die Beseitigung des Geoblockings bedeutet eine bessere Auswahl für die Verbraucherinnen und Verbraucher und mehr Möglichkeiten für die Unternehmen. Der bulgarische Vorsitz misst der digitalen Wirtschaft große Bedeutung bei. Ich möchte den vorausgehenden Vorsitzen, dem Parlament und der Kommission danken, dass es uns gemeinsam gelungen ist, den europäischen digitalen Binnenmarkt voranzubringen.

– Lilyana Pavlova, Ministerin für den bulgarischen EU-Ratsvorsitz

Keine Diskriminierungen mehr

Die GB-VO sorgt also dafür, dass ungerechtfertigtes Geoblocking in der EU in Zukunft untersagt ist. Nutzer bzw. Kunden dürfen nicht aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit, ihres Wohnsitzes oder ihrer Niederlassung bei der Inanspruchnahme von Dienstleistungen oder dem Einkauf diskriminiert werden. Das Diskriminierungsverbot umfasst dabei neben den Online-Inhalten auch Allgemeine Geschäftsbedingungen sowie Zahlungsmethoden.

Ausgenommen von der Verordnung sind allerdings Dienstleistungen, die hauptsächlich darin bestehen, dass der Zugriff auf urheberrechtlich geschützte Inhalte und deren Nutzung ermöglicht wird. Selbiges gilt für den Verkauf von urheberrechtlich geschützten Werken in unkörperlicher Form, etwa Video-/Musikstreamingdienste, Online-Spiele, E-Books und Software. Diese Konstellationen werden wiederum von der sogenannten Portabilitätsverordnung (EU) 2017/1128 erfasst: Ein letztlich stumpfes Schwert, das zwar den Konsum urheberrechtlich geschützter Werke im EU-Ausland ermöglicht. Dies kommt allerdings nur für solche Werke zum Tragen, die kostenpflichtig sind und während eines “vorübergehenden Aufenthalts” im EU-Ausland abgerufen werden. Ausgenommen vom Anwendungsbereich der GB-VO sind ferner die Bereiche Finanzen, Verkehr, Soziales und Gesundheitswesen.

Eine Harmonisierung der Preise ist mit der GB-VO übrigens nicht verbunden. Tatsächlich wird ab dem Stichtag eine Preisdiskriminierung aufgrund des Aufenthaltsortes verboten sein, die sonstige Veranschlagung unterschiedlicher Preise ist zur Wahrung der Privatautonomie aber weiterhin erlaubt. Anbieter dürfen bestimmten Kundengruppen zum Zwecke der Preisdifferenzierung also durchaus andere Preise und Konditionen anbieten (vgl. Erwägungsgrund 10 der GB-VO). Bitkom steht der gegenwärtigen Fassung der GB-VO kritisch gegenüber:

Für Händler ist allerdings problematisch, dass die Verordnung sie nun faktisch zwingt, in alle EU-Länder zu verkaufen. Da die Verbrauchervorschriften, Steuerregelungen und auch die Absatzmärkte als solche aber sehr verschieden sind, werden gerade kleine und mittelständische Händler von den vielen verschiedenen Regelungen überfordert, nicht wenige werden in ihrer Geschäftstätigkeit gefährdet.

Aus diesem Grund müssen Anbieter nicht in Mitgliedsstaaten der EU liefern, in die sie grundsätzlich keine Lieferung anbieten (vgl. Erwägungsgrund 23 der GB-VO). In diesem Fall sollen Käufer zumindest die Möglichkeit erhalten, ihre Ware selbst abzuholen oder sich um den Transport zu kümmern. Aller Voraussicht nach wird die Verordnung dazu führen, dass sich private oder gewerbliche “Abhol-Fahrgemeinschaften” bilden werden, um Bestellungen aus anderen Ländern in derartigen Fällen zu realisieren.

Vorrang vor Wettbewerbsrecht

In Konfliktfällen genießt die Geoblocking-Verordnung künftig Vorrang gegenüber dem Wettbewerbsrecht. Der sogenannte aktive Vertrieb wird von der neuen Verordnung indes nicht berührt.

Zum besseren Verständnis: Im EU-Wettbewerbsrecht wird im Wesentlichen zwischen sogenannten passiven Verkäufen und aktiven Verkäufen unterschieden. Passiv ist ein Verkauf, der infolge einer Bestellung zustande gekommen ist, um die sich der Anbieter nicht aktiv bei dem Kunden bemüht hat. Ein Verkauf ist hingegen aktiv, soweit der Anbieter Kunden gezielt anspricht. Während Beschränkungen des passiven Verkaufs in aller Regel als eine Verletzung des Wettbewerbsrechts angesehen werden, sind Beschränkungen des aktiven Verkaufs eine häufig anzutreffende Praxis, die schon aus der kommerziellen Freiheit von Unternehmern resultiert. Demzufolge weitet der Regelungsbereich der GB-VO lediglich das Verbot von Beschränkungen des passiven Verkaufs aus.

Erste Überprüfung im Jahr 2020

Ob das Ganze funktioniert und wie sich die GB-VO konkret auf den Binnenmarkt auswirkt, soll gem. Artikel 9 Abs. 1 der GB-VO zwei Jahre nach dem Inkraftreten und anschließend alle fünf Jahre überprüft werden. Dazu wurde extra eine Überprüfungsklausel in den Verordnungstext eingearbeitet. Stichtag wäre demnach der 23. März 2020. Ein Zurück hinter die Maßnahmen der Verordnung gegen ungerechtfertigtes Geoblocking im Binnenmarkt dürfte es dabei allerdings kaum geben – jedenfalls dann nicht, wenn die Geschichte so einigermaßen funktioniert.

Hintergrund der Verordnung

Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission zur GB-VO datiert vom 25. Mai 2016. Im Zuge dessen wurden aber auch weitere Anregungen über grenzüberschreitende Paketzustelldienste und für eine Überarbeitung der Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz kommuniziert, um den “echten digitalen Binnenmarkt” weiter zu forcieren.

Das Europäische Parlament billigte am 6. Februar 2018 die Verordnung gegen das ungerechtfertigte Geoblocking.
Note: There is a rating embedded within this post, please visit this post to rate it.


(Bild-)Quellen: Rat der Europäischen Union, GB-VO (EU) 2018/302, Portabilitäts-VO (EU) 2017/1128;  © Tumisu – pixabay

Die mobile Version verlassen